TACTICAL ATHLETIC – multidimensionales Training vs. Einzelkonzept

Der Fitnessmarkt hat jede Menge Varianten und Trends von Trainingsmöglichkeiten auf Lager. Es reiht sich ein Konzept an das andere. Aktuell streben viele Konzepte aufgrund verbesserter Informationslage durch erhobene Studien eher in eine inhaltliche Tiefe. Exzentrisches Krafttraining. Overload. Plyometrie.

Stellt sich die Frage: Was unterscheidet Training von Training, bzw. Konzept von Konzept. Wie sinnvoll ist das Vertiefen in einzelne Schwerpunkte im Vergleich zu Konzeptkombinationen für Ziele in Berufs- und Alltagslagen. Wir geben dir hier eine funktionelle und sportwissenschaftliche Antwort, welche höchste Gültigkeit für taktische Profile beinhaltet.

Inhaltich betrachtet, sind all diese Trainingsmethoden in ihrer spezifischen Idee meist durchaus in ihrer jeweiligen Sachlage und Ausrichtung stimmig. Als ergebnisorientierter Coach und mündiger Athlet sollte dir jedoch das allein nicht reichen. Möchtest du einfach viel Zeit mit Training verbringen, kannst du dich gerne diesen Inhalten widmen. Solltest du jedoch aufgrund deiner komplexen Arbeits- oder Sportbelastung an eben dafür passenden Entwicklungen interessiert sein, empfehle ich dir folgendes: Betrachte deine Methoden und Tools im Training stets von der Seite deines Zieles. Was muss am Ende stehen – und welche Schritte brauche ich dazu. Bereits in unserem Blog „all about“ haben wir den Begriff Athletiktraining sportwissenschaftlich in seiner ganzen Fülle definiert. Dies dient uns stets als Orientierungshilfe.

Lasst uns hier gleich in eine praktische Betrachtungsweise starten, welche durchaus auch in taktischen Profilen ihre Anwendung findet: Nahkampf. Am Ende steht eine entschlossene, kraftvolle Aktion, die den Gegner in seiner Wirkung einschränkt, um ihn zu überwältigen – ein durchaus komplexes Vorhaben.  Welche Fähigkeiten sind in dieser speziellen Situation notwendig und wie kommen wir dort hin. Die funktionelle Analytik der Sportwissenschaft bringt Licht ins Dunkel. Hinter einem harten Schlag steckt definitiv Kraft, welche die Muskulatur generieren und umsetzen muss. Zweifelsohne brauchen wir muskuläre Fähigkeiten, die entsprechende schnelle, harte Aktionen durchführen kann. Sind nun all unsere ca. 640 Muskeln auf Schnelligkeit und Härte ausgelegt? Nein. Den typischen Energiestoffwechsel für derartige Aktionen besitzen im Groben unsere sog. phasischen Muskeln, die ein hohes Maß an Kraft generieren können, gleichzeitig aber sehr rasch ermüden. Diese Muskelphysiologie zu verbessern, und dabei noch zusätzliches Gewebe zu schaffen (Hypertrophie, Muskelwachstum), erhalten wir in einem klug aufgestellten Krafttraining mit allen notwendigen biochemischen Prozessen.

Doch nicht allein Stoffwechselprozesse entwaffnen einen Gegner. All die Härte im Schlag nützt letztendlich nichts, wenn der Griff zur waffenführenden Hand des Gegners ins Leere greift. Daher gehört in den Wirkbereich auch eine Wirkrichtung. Die Abwehrhand geht zur Waffe, der Punch trifft die Schläfe. Beides sind klar präzise Aktionen. Auch Richtung und Statik wird von Muskulatur umgesetzt. Somit ergibt sich ein ganzes Muskelgeflecht, welches mit Härte eine gerichtete Aktion ausführt. Diese Strategie gilt im Übrigen für all unsere Bewegungen. Bestimmte Muskeln sorgen für Wirkintensität manche Muskeln sorgen für Wirkrichtung. An diesem Punkt stellt sich die Frage, woher Muskeln die Informationen über Kontraktion und Relaxation erhalten. Macht dies der Muskel selbst, oder eine separate Organisationszentrale? Der Muskel ist bei Bewegungen das stumpfeste Glied einer ganzen Kette. Der Muskel bekommt von verschiedenen Regionen unseres Gehirns ganz klare Aufgaben und Informationen über Kontraktionsintensität, –geschwindigkeit und –dauer, sowie alle Infos zur Art der Muskelentspannung. Diese hochkomplexe Koordinationsaufgabe unseres Gehirns schreiben wir der neurologischen Fähigkeit zu. Daher können wir aus aktueller wissenschaftlicher Sicht sagen, dass JEDE Bewegung neben der muskulär-physiologischen auch eine neurologisch-organisatorische Komponente hat.

Wir können bis hierher zusammenfassen, dass für das Erarbeiten, Optimieren und Ausbauen von leistungsfähigen Komplexsystemen durchaus mehrere Konzepte herangezogen werden müssen, um alle notwendigen und beteiligten Strukturen und Prozesse voll umfänglich zu integrieren. Doch hier ist noch lange nicht Schluss. Wenn eine zielgerichtete Aktion sowohl Wirkintensität, wie auch Wirkrichtung besitzt, so wird sie einem klaren Kontext, einer entsprechenden Situation gerecht. Woher wissen nun unsere bewegungssteuernden Regionen im Gehirn, was zielgerichtet getan werden muss? Unser Gehirn muss letztendlich Kenntnis der Situation erhalten. Kontextinformationen erhält das Gehirn über absolut hochentwickelte Kanäle – unsere Sinnesorgane. Auge, Ohr,

Haut/Taktil und Nase sind hierbei wie wichtigsten. Das Auge ist in der Liste der wichtigste Informationslieferant. 125 Millionen Rezeptoren besitzt jedes Auge, um das Gehirn mit Input zu versorgen. Dabei unterscheiden wir zwischen fovalem (in einer bestimmten Blickrichtung mit unbewegtem Blick geradeaus innerhalb eines sehr kleinen Raumwinkels von 1° bis 2°, um ein Sehobjekt zu fixieren sowie Konturen, Entfernungen und kleinste Helligkeits- und Farbunterschiede in kurzer Zeit zu erkennen) und peripherem Sehen (bei der nicht die zentrale Stelle der Netzhaut zum Fixieren eines Objekts benutzt wird, sondern dessen Wahrnehmung durch danebengelegene Areale erfolgt). Das Auge ist der größte Informationsgeber für das Gehirn. Hast du dich schon mal gefragt, warum wir unter Stress manche Dinge um uns rum nicht wahrnehmen? Es gibt unzählig viele dokumentierte Fälle von Autounfällen, bei denen die Vorfahrt genommen wurde und ein Auto auf der Vorfahrtseite übersehen wurde, obwohl man den Kopf in gewohnter Manier zur Abklärung einer freien Fahrt gedreht hat. Stress war eine wichtige Konstante in all diesen Fällen. Die Neurowissenschaft kann dieses Phänomen evidenzbasiert erklären. Steigt Stress, verringert sich die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit. Dies wiederum stellt ein Problem an zielgerichtete Aktionen dar. So stellt die Sportwissenschaft klar, dass JEDE Bewegung neben der muskulär-physiologischen und  neurologisch-organisatorischen auch eine visuelle Komponente hat.

Wenn unser Gehirn eine so bedeutende Organisationsaufgabe besitzt, muss sie neben Kenntnis des (externen) Problems auch eine valide Informationslage über (interne) Werkzeuge haben. Der stärkste Hammer oder das schärfste Messer in meinem Werkzeugkasten nützt nichts, wenn ich nicht weiß, dass es dort drin liegt und mir als Tool zur Verfügung steht. Genauso ist es mit unseren konditionellen Fähigkeiten – Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Beweglichkeit. Auf der anderen Seite sollte ich keine Steinmetzaufgaben annehmen, wenn mein Werkzeugkasten einen kaputten Hammer und einen stumpfen Meissel führt. Ob und in welcher Form ich mich Bewegungsaufgaben stelle, hängt davon ab, was meine Ressourcen hergeben. Das Gehirn verarbeitet in der Sekunde 400 Mrd. Bit an Informationen. Lediglich 2000 Bit davon unterliegen unserer bewussten Wahrnehmung. Die Großzahl der mit 400km/h einschießenden Impulse in unser Gehirn sind aktuelle Lageinformationen über Körperlage im Raum, Belastungs-/Ermüdungszustand und mögliche Sicherheitslücken gegenüber Gesundheit oder Leben. Vielleicht hast du den Fachbegriff „Propriozeption“ schon mal gehört. Es ist die Fähigkeit, über Messfühler und –regulatoren zu verstehen, wie mein Körper aktuell aufgestellt ist und welche Mittel für Prozesse (auch Bewegungen) zur Verfügung stehen. Leute, im Jahr 2019 sind die Umstände unseres Lebens derart ungünstig, dass genau diese Fähigkeit extrem unterentwickelt ist. Eben dieser Bereich braucht in einem zielorientierten Training entsprechende Zuwendung. Hierzu gehört ein funktionsorientierter, nachhaltiger um konstruktiver Umgang mit dem Thema „Schmerz“. Schmerz ist komplex und multimodal – aber auf jeden Fall gehört er zu uns Menschen wie Essen und Atmen. Die propriozeptive Fähigkeit „Schmerz“ – die uns eine Interpretation unseres Zustandes geben will – destruktive Mittel (Schmerzmittel) zu limitieren, nimmt uns die Fähigkeit, effektiv unsere Möglichkeiten für Bewegungsimpulse zu generieren oder zu optimieren. Abschließend für diesen Blog können wir postulieren, dass JEDE funktionelle Aktion neben der muskulär-physiologischen, neurologisch-organisatorischen und visuellen auch eine neurologisch-propriozeptive Komponente hat.

FAZIT: Training ist nicht gleich Training. Ein Training ist nur so effektiv, wie es relevante Faktoren einschließt. Zielführende Konzepte für komplexe Profile wie Spitzensportler oder Spezialeinheiten sind IMMER multidimensional. Warum Multidimensionalität wichtig ist, zeigt uns die Fülle an Zahnrädern und Einzelprozesse, die gleichzeitig oder hierarchisch korrekt geschaltet werden müssen. So arbeiten bei einer Aktion, die in einem situativen Kontext steht, stets viele Ebenen miteinander. Physiologisch. Neuronal. Mental. Fällt eines, fallen alle!

Motorische Aktionen von taktischen Einheiten sind stets kontextbezogen. Dieser Kontext stellt extrem hohe Ansprüche an den jeweiligen Organismus. So ist es unumstritten, dass derartige Kräfte in ihren Trainingsprozessen sich stets in sinnvoller Weise und richtiger Reihenfolge (vgl. Definition von Athletiktraining) allen Inhalten stellen und diese entwickeln müssen. TACTICAL ATHLETIC ist genau dieses multidimensionale Konzept, das ausgehend von einem professionellen Profiling der notwendigen Belastung und Anforderungen von taktischen Aufgaben alle Inhalte bedient. In unserer HALO SESSION geben wir dir hierzu die sportwissenschaftlichen Hintergründe, damit du genau auf Basis dieser Analyse dein multidimensionales Training aufstellen und anpassen kannst. Du bist Profi in deinem Job – dann trainiere auch so. Denn: You cannot train too much for a job that could kill you.